Drachenzauber – Kapitel 6 (Blog-Roman)

(Lesedauer etwa 13 Minuten)

Drachenzauber

Mir war entfallen, weshalb ich überhaupt gekommen war. Ethan zog seine Fänge langsam aus meinem Hals und hinterließ eine wehklagende Leere an der Stelle, die vor Sekunden noch behaglich durch seinen Biss liebkost worden war.

Unser Deal. Godric, ich hatte Godric vergessen!

Der Gedanke verflog in dem Moment, da sein Gesicht vor mir Gestalt annahm und seine in der Dunkelheit glänzenden Augen mich betrachteten.

Das Blut glänzte auf seiner Unterlippe, die er sich genüsslich leckte, bevor er mit den Fingern meinen Hals berührte, was die Heilung der Wunde in Gang setzte. Ich spürte, dass die Vampirheilung durch ihn zügiger vonstattenging, als ich es mittels Selbstheilung geschafft hätte.

»Gwendoline, ich möchte dich etwas fragen«, säuselte er, ohne mit seinen Körper auch nur einen Millimeter von mir abzurücken.

»Hmhm«, murmelte ich und versuchte, meine Gedanken zu sortieren.

»Bist du jemandem versprochen?«, fragte er.

Warum wollte er das wissen?

Ethan lächelte: »Weil du noch nie über einen Versprochenen nachgedacht hast.«

Sein Blick wanderte von meinen Augen zu den Lippen und wieder zurück.

Ohne die Antwort abzuwarten, stellte er fest: »Im Schatten sind deine Augen grün, im Licht sind sie eher blau.«

Ja, das war mir geläufig.

»Das ist sehr reizvoll«, fügte Ethan hinzu.

In meinem Bauch kribbelte es wieder wie verrückt.

»Also, was ist mit dem Eheversprechen?«, bohrte er nach.

»Nein, es gibt keins«, antwortete ich wahrheitsgemäß, war nicht für eine Sekunde imstande den Blick von ihm wenden.

Meine Mutter hatte ohnehin mit der Lichtbringer-Tradition gebrochen, als sie einen Vampir geheiratet hatte. Das war wohl auch der Grund, weshalb sie mir zutraute mich selbst für jemanden zu entscheiden.

Hinter uns ertönte das Flirren eines neuen Portals und kurz darauf Schritte, die auf uns zukamen. Ethan schaute schmunzelnd über seine Schulter zurück: »Hallo Fabri, wie immer pünktlich.«

Nachdem Ethan seinen Körper von meinem gelöst hatte und der lauwarme Wind mich küsste, fiel mir auf, dass ich schwitzte.

In mir schrie alles, da er sich von mir abwandte, um mit dem herannahenden Elf zu sprechen.

Waren die fünf Minuten wirklich schon verstrichen?

»Hallo zusammen«, erwiderte Fabri, »bereit zur Heimkehr?«

Die verlorene körperliche Verbindung und die Rückkehr in die Realität riefen mir meinen Wunsch ins Gedächtnis zurück. Der Grund, weshalb ich mich auf das hier – egal ob es mir gefiel oder nicht – eingelassen hatte.

»Eine Sekunde noch!«, bat ich Fabri und sah dann wieder Ethan an, der mich verwundert betrachtete.

»Unser Deal steht. Ich habe dir mein Blut gegeben. Wie bekomme ich meinen Bruder zurück?«, verlangte ich von dem Vampir zu wissen.

Ethan erklärte es mir mit gesenkter Stimme. »Wir benötigen einen geweihten Ort, Totenruh sollte mehr als genügen. Da er dein Zwilling ist, werden wir dein Blut verwenden, anstelle seiner Asche. Wie ich hörte, ist er verglüht und hat keine Überreste hinterlassen.«

Urplötzlich übermannte mich die Erinnerung an Godric, der in der Drachenhöhle in die Lava gefallen war. Ethans Stimme rückte in den Hintergrund, während ich die letzten Atemzüge meines Bruders wieder und wieder durchlebte.

»Ein persönlicher Gegenstand wäre hilfreich. Fabri wird das Ritual durchführen. Du musst anwesend sein und wir benötigen Lichtbringerblut, welches er nach der Wiedererweckung trinken kann. Du kannst also einen doppelten Zweck erfüllen. Das wichtigste ist allerdings ein Drachenei.«

Ich sah Godric in Flammen stehen, sah meinen Bruder lichterloh brennen, hörte seine Schreie, die von den Felswänden widerhallten. Alles nur, weil er mich aus der Schusslinie gestoßen hatte. Dieser Tod war für mich bestimmt gewesen.

Die Berührung kalter Hände auf meinen Wangen riss mich in die Wirklichkeit zurück und auf einmal verlor ich alle Gedanken. Sie waren wie weggeblasen. Ethan hatte sie mir mit seiner Vampir-Macht aus dem Kopf gewischt. Eine schwere Last fiel von meinen Schultern, was der einzige Hinweis darauf war, dass ich zuvor an etwas Unerfreuliches gedacht hatte.

»Danke«, lächelte ich und er nickte still.

Ich werde etwas taktvoller in meiner Wortwahl sein‹, versprach er mir telepathisch.

Mir war nicht ganz klar, was er meinte. Die Bestandteile unserer Unterhaltung waren mir aus dem Kopf geronnen wie Sand durch ein Nudelsieb.

»Wir hätten also alle Zutaten beisammen, bis auf das Drachenei«, fasste Fabri – der von meinem geistigen Aussetzer nichts mitbekommen hatte – zusammen.

»Zutaten?«, wiederholte ich und ärgerte mich über den Gedächtnisverlust.

»Die Wiedererweckung deines Bruders!« Fabri sah mich an, als hätte ich sie nicht mehr alle.

In dem Moment kam zumindest der Teil, den Ethan erklärt hatte zu mir zurück. Es war kein Problem, einen persönlichen Gegenstand mitzubringen, mein Blut würde ich meinem Bruder liebend gern anbieten, wenn ihn das zurückholte. Aber wo zum Teufel sollte ich ein Drachenei herbekommen?

»Entschuldigt die Frage, aber glaubt ihr ich habe einfach so Dracheneier herumliegen?« Ich verschränkte mürrisch die Arme.

»Du bist doch ständig von Drachen umgeben. Da wird doch irgendwo eins ihrer Eier rumliegen.« Fabri sah mich übermütig an.

»Ist das dein Ernst? Das sind alles Kids in meinem Alter! Ich bin mit ihnen zusammen, weil wir auf die gleiche Schule gehen. Sie haben gerade gelernt, sich in einen Drachen zu verwandeln. Bis ein Drache Eier legt, vergehen Jahrzehnte. Steht in den Grundwissen Drachenschriften für Einsteiger.« Schnippisch trat ich Fabris Hochmut entgegen.

»Ich weiß, wann Drachen Eier legen«, antwortete er ungerührt.

»Was soll dann der Quatsch, ich würde da rankommen? Abgesehen davon ist das sowas wie Kindesentführung. Was passiert denn mit dem Ei? Bekommt der Drache es zurück?«

Fabri lachte, als hätte ich einen Scherz gemacht: »Nein?!«

Gerade als ich darauf eingehen wollte, ging Ethan dazwischen. »Das Ei wird bei dem Ritual zerstört. Die Wiedererweckung nennt man deshalb auch Drachenzauber. Es muss immer ein Opfer geben, um im Gleichgewicht mit der anderen Seite zu bleiben. Jeder Zauber ist ein Eingriff in die Natur und löst eine Reaktion aus.«

So etwas Ähnliches hatte ich schon mal gehört. Ich nickte, verstand nun, weshalb wir es benötigten. »Okay, trotzdem können wir nicht einfach einem Drachen sein Ei stehlen.«

Fabri murmelte etwas über Drachen vor sich hin, doch Ethan lenkte die Aufmerksamkeit auf sich. »Das haben wir auch nicht vor. Wir wollen ja keinen Krieg auslösen. Deshalb dachten wir an Eier, die sowieso herrenlos sind.«

Erst wollte ich nachfragen, doch dann wurde mir klar, worum es ging.

Als Hayley und Draca gegen den Teufelsdrachen gekämpft hatten, war der Grund dafür die Erfüllung einer Prophezeiung. Allein deshalb waren wir im Sommer alle in die Höhle des Drachen gekommen – um das siebte Ei zu zerstören. Es war uns gelungen, auch wenn wir einen schrecklichen Preis dafür hatten zahlen müssen. Mit dem Leben meines Bruders.

Neben dem zerstörten siebten Ei gab es noch drei weitere Dracheneier. Sie hatten sie verschont. Wo sie von den Lichtbringern hingebracht worden waren, wusste ich nicht. Nur, dass sie existierten.

Ethan, der meine Gedanken genau verfolgt hatte, fragte: »Du könntest versuchen, herauszufinden, wo sie aufbewahrt werden oder?«

Diese Eier waren Waisen und was konnte schon Gutes aus der Saat dieses schrecklichen Drachen entspringen? Sie waren die Nachkommen des Mörders meines Bruders. Vielleicht sannen sie eines Tages sogar auf Rache, wenn sie erst geschlüpft und erwachsen waren. Jetzt schien es noch weit weg, doch ihr Dasein würde irgendwann Realität annehmen.

Fabri holte Luft, um etwas zu sagen, doch Ethan hielt die Hand in die Höhe, um ihm Einhalt zu gebieten, und betrachtete mich aufmerksam.

»Wie wärs, wenn du eine Nacht darüber schläfst und wir morgen weiter reden?«, schlug er sanftmütig vor.

Ich nickte einverstanden. Ja, ich musste erst mal wieder klar im Kopf werden. Und hier so dicht bei ihm ging das nicht.

»Ich wünsche dir einen schönen Tag, Gwendoline«, lächelte er.

Wie selbstverständlich führte Ethan meine Hand an seinen Mund und deutete einen Kuss an.

Mit aller Gewalt unterdrückte ich den aufkeimenden Wunsch, seine Lippen auf meiner Haut zu spüren. Doch er lächelte schon, was mir zu verstehen gab, dass er meinen Gedanken auf die Schliche gekommen war.

»Danke«, erwiderte ich knapp und drehte mich rasch von ihm weg.

Ich trat aus dem Schatten auf das Portal zu, welches im Sonnenlicht über dem Asphalt waberte und die Lichtung vor der Lichtbringer Akademie widerspiegelte.

Fabri beobachtete mich gespannt, er sah aus, als wollte er etwas sagen, verkniff es sich aber.

Zögernd drehte ich mich noch einmal zu Ethan um und prägte mir sein Lächeln und die im Halbdunkel schimmernden blauen Augen ein. Dann trat ich durch das Portal.

Drachenzauber. Dieses Wort spukte mir für den Rest des Tages im Kopf herum. Ob ich in der Bibliothek etwas darüber finden würde? Warum hatte bisher noch niemand daran gedacht, einen solchen Drachenzauber durchzuführen, um Godric wiederauferstehen zu lassen? Hätten meine Eltern nicht etwas davon wissen müssen? Gab es Risiken bei diesem Ritual, von dem die Jungs mir nichts erzählt hatten? Wen konnte ich dazu etwas fragen? Ich fühlte mich so auf mich allein gestellt. Auch wenn weder Ethan noch Fabri etwas Derartiges gesagt hatten, war mir klar, dass ich unser Vorhaben nicht an die große Glocke hängen durfte. An ein Drachenei kam ich nur durch Diebstahl heran. Ich wusste, was meine Freunde dazu sagen würden. Erst recht die Drachenwandler. Es ging darum, ein Leben für ein anderes zu opfern. Das unschuldige Leben eines noch nicht geschlüpften Wesens. Ob aus den Eiern des Teufelsdrachen wirklich schlechte Kreaturen heranwachsen würden, stand in den Sternen. Aber vielleicht gab es eine Möglichkeit, mich dahingehend abzusichern. Über eine Prophezeiung.

Um Everly und die anderen nicht unnötig auf meine Fährte zu locken, beschloss ich erst einmal einige Grimoires in der Bücherei durchzuschauen, bevor ich sie darauf ansprach.

Nach einer mehr als langweiligen letzten Schulstunde in Artenkunde löste ich mich aus dem Strom der Internatsschüler, die ins Wohnheim zurückgingen, um ihre unbequeme Schuluniform loszuwerden und sich auf die bevorstehende Prüfung vorzubereiten. Mir fehlten noch immer Teammitglieder und ich wusste, dass ich diese mit höchster Priorität finden musste. Doch der Drachenzauber hatte mich derart eingenommen, dass ich nur noch diese eine Sache erledigen wollte. Ich musste eine rasche Entscheidung fällen und wenn ich erst völlig erschöpft nach dem Training im Bett lag, war ich vielleicht nicht mehr in der Lage, mir darüber Gedanken zu machen.

Die Bibliothek war leer, weshalb ich in Ruhe die Regale nach erdenklichen Prophezeiungen und deren Schwierigkeitsgrade durchsuchen konnte. Nach einiger Zeit wurde ich fündig. Meine einzige Möglichkeit war Everly, die allerdings ganz am Anfang ihrer Prophetenkarriere stand. Auch Fabri war eine Option, doch ich traute ihm nicht so richtig über den Weg. Mir war nicht klar, weshalb er in die Sache involviert war und was dabei für ihn heraussprang und so lange ich das nicht wusste, konnte er mir das Blaue vom Himmel erzählen.

Im Schein der Leselampe, die hinter meinem Sessel der Lesenische im zweiten Stock weiches Licht spendete, versank ich in das Grimoire der Propheten. Begierig flogen meine Augen über die Worte, auf der Suche nach der Gewissheit, die ich unbedingt benötigte, um mich auf diese unheilvolle Sache einzulassen. Nur beiläufig nahm ich das zarte Quietschen der sich öffnenden Flügeltür im Erdgeschoss wahr, denn mein Blick blieb an an »in besonderem Falle ist es möglich, ein Orakel nach der Zukunft eines ungeborenen Drachenwesen zu befragen« hängen. Erst als die Buchstaben auf den vergilbten Seiten mit dem sich darüberlegenden Schatten verschmolzen, schreckte ich auf und bemerkte die Anwesenheit meines Bruders Draca.

»Ich hab dich überall gesucht«, brummte er mürrisch.

In der Sekunde fiel mir siedend heiß ein, dass ich ihn versetzt hatte. Erschrocken stammelte ich: »Oh Gott, das… das hab ich… total vergessen!«

Seine Augen wanderten auf das Grimoire in meinen Händen, welches ich geistesgegenwärtig zuklappte.

»Ich muss doch so viel für die Prüfung nachholen!«, schob ich schnell hinterher, da er mich ungläubig ansah.

»Vielleicht ist es besser, wenn du dich in Ruhe vorbereitest und im nächsten Jahr mit freiem Geist an die Prüfung gehst«, schlug er vor.

Etwas zu hektisch sprang ich aus dem Sessel auf: »So ein Blödsinn!«

»Gwen, du solltest zu Hause sein und Mutter und deinem Vater Trost spenden. Wieder auf die Beine kommen und dann einen zweiten Anlauf hier auf der Lichtbringer Akademie versuchen.« Draca verschränkte die Arme, was seine Oberarmmuskeln zur Geltung brachte.

»Ich will nicht nach Hause, ich will hier blieben!«, rief ich etwas zu laut, so dass meine Stimme bis zum Oberlicht der Schulbibliothek empor hallte.

Ich gehörte hierher nach Immerherz. Zu meinen Freunden, zur Magie, den Fabelwesen und Gestaltwandlern, zur beispiellosen Natur und ihrer Freiheit, zu der einzigen Möglichkeit, Godric zurückzuholen. Zu Ethan.

Unmittelbar spürte ich seinen heißen Atem auf meinem Hals und versuchte, ihn mit der Hand wegzustreichen.

»Na schön«, lenkte Draca widerwillig ein, »dann ist dein Aufenthalt hier aber an ein paar Bedingungen geknüpft – Mutter hat sich nämlich schon mit mir in Verbindung gesetzt, nachdem Direktor Goldbach heute Vormittag scheinbar bei ihr angerufen hat.«

In meinem Hals sammelte sich ein dicker Kloß und erschwerte mir das Atmen. Ach ja richtig, der Direktor hatte irgendetwas davon geschwafelt, dass er meine Eltern benachrichtigen wollte. Während mir die Hitze zu Kopf stieg, das ich förmlich spürte wie sich eine Schlinge immer dichter um meinen Hals zu zuog, nickte ich.

»Erstens erwarte ich, dass du Hayley und deinen anderen Freunden nicht mehr aus dem Weg gehst. Niemand kann für dich da sein, wenn du dich versteckst. Außerdem musst du akzeptieren, dass wir drei momentan sehr stark eingebunden sind. Ich hätte mir gewünscht, dass du mit dabei bist, anstatt dich gegen uns zu verbittern.« Dracas schwarzer Dutt baumelte in seinem Nacken, während er energisch sprach.

Gut, diese Bedingung war verständlich und meinerseits annehmbar. »Okay«, antwortete ich kleinlaut.

»Zweitens«, fuhr er unbeirrt fort, »du hältst dich bis zum Abschluss der Prüfung akribisch an die Regeln.«

Jetzt wurde es schon schwieriger. Ob ich bis zum Wochenende warten konnte, um das Ritual mit meinen Freunden aus dem Refugium durchzuführen, konnte ich nicht versprechen. Das wäre vielleicht auch nicht unbedingt klug, denn sollte ich nicht bestehen, würde ich Immerherz verlassen müssen und erst im nächsten Sommer zurückkehren können, um das Studium von vorne zu beginnen. Abgesehen davon waren sie wahrscheinlich nicht wirklich meine Freunde. Aber vielleicht hatte zumindest Ethan Potential.

Mein Hals kribbelte.

Da ich nicht reagierte, meinte Draca: »Das bedeutet kein Verlassen des Schulgeländes, sprich der Schutzkuppel, keine Sauftouren und keine Partys mit Vampiren und Dämonen.«

Das war leider überdeutlich. Ein Nicken brachte ich nicht zu Stande.

»Weißt du überhaupt, wer dieser Ethan von Falkenstein ist?«, erkundigte Draca sich, da ich nicht reagierte.

Wie ertappt blinzelte ich und suchte nach Worten. »Wir lernen uns gerade kennen«, antwortete ich schließlich.

Er prustete kurz, hielt sich aber merklich zurück und meinte dann: »Er ist sowas wie der Herrscher von Schattensang.«

Meine Knie wurden weich. Als hätte jemand mit einer Sprühflasche auf mein Gesicht gezielt, umnebelte mich plötzlich sein Ingwergeruch, drückte mich mit lebendiger Hitze an meinem Hals in den Sessel zurück. Ich plumpste nieder und seufzte. Das erklärte zumindest, warum er die Macht besaß, diesen Anspruch auf mich zu erheben.

»Und was dieses Vorrecht angeht, darüber werde ich mit ihm noch verhandeln«, versicherte Draca mir mit geblähten Nasenflügeln.

Ich wusste, dass das nichts Gutes verhieß.

»Aber… wäre das nicht eine vielversprechende Verbindung, wenn Ethan und ich…« Bevor ich mir selber darüber im Klaren war, wie ich den Satz beenden sollte, fuhr mein Bruder mir über den Mund.

»Diese Verbindung untersage ich!«, donnerte seine Stimme durch das hohe Gewölbe der Bibliothek und ließ die Scheiben erbeben.

Seine Drachenaura begann gefährlich wütend zu flackern und flößte mir den entprechenden Respekt ein.

Das letzte, was ich wollte, war dass er sich vor Zorn hier im Gebäude in einen Drachen verwandelte und unter Umständen noch einen Teil der alten Schriften zerstörte.

Trotzdem konnte er mir nicht einfach verbieten, mit wem ich meine Zeit verbrachte. Verzweifelt schnappte ich nach Luft, während ich meine Felle davonschwimmen sah.

Wie sollte ich nach Totenruh kommen, wenn ich das Schulgelände nicht verlassen durfte und nun selbst mein Bruder ein Auge darauf hatte? Wie sollte ich das Ritual durchführen, wenn er mir nicht gestattete, mich mit Ethan zu treffen?

Wie sollte ich Godric zurückholen?

Hastig wischte ich mir die Tränen aus den Augen, denn ich wollte ihm gegenüber keine Schwäche zeigen. Er hatte bereits genug davon gesehen und dies gegen mich verwendet.

Auch wenn er es gut meinte.

Ich saß in der Falle. Tat ich nicht, was er verlangte, würde er entsprechend auf unsere Mutter einwirken und am Ende nahm sie mich vor der Prüfung von der Schule. Ich wusste, sie hörte auf ihn. Immerhin war er der schwarze Drache.

Ich dagegen war nur eine auf die schiefe Bahn geratene Lichtbringerin.

Ich versuchte, einen kühlen Kopf zu bewahren, und wägte meine Optionen ab.

An seinem Gesichtsausdruck erkannte ich, dass Draca seinen Ausbruch bereute, als er meine jämmerliche Reaktion darauf wahrnahm. Seine fliederfarbenen Augen wichen meinem Blick aus. Daher lenkte ich schnell ein. »Ich wurde im Refugium beinahe Opfer eines Vampirangriffs. Eine größere Gruppe ist über die Passanten an der Strandpromenade hergefallen. Ich habe einen von ihnen erledigt und der Anführer hatte vor sich an mir zu rächen. Ethan hat mir das Leben gerettet, in dem er Anspruch auf mich erhoben hat. Er wollte mir einfach nur helfen.«

»Diese terrorisierenden Vampire werden im Refugium allmählich zu einem Problem. Der Herrscher von Schattensang sollte dies eigentlich im Griff haben. Da stellt sich mir die Frage, ob das nicht alles ein abgekartetes Spiel sein könnte.« Draca war nicht so leicht zu überzeugen. Würde Ethan so weit gehen wahllos Einheimische des Refugiums angreifen zu lassen, nur um mein Vertrauen zu gewinnen?

Ich hatte zwar viel Fantasie, aber das war tatsächlich schwer vorstellbar. Wer war ich denn schon? Das traurige Überbleibsel eines Schattenkind-Zwillings. Der große Halbbruder ein Drachenwandler, der Zwillingsbruder tot und mit mir jegliche Hoffnung. An mir war nichts Besonderes. Seit sich herausgestellt hatte, dass Draca die Reinkarnation von Velor war und er seiner Berufung nachkam, das Gleichgewicht der Welten zu wahren, sah er hinter jedem Baum einen Feind.

Es lag mir auf der Zunge, ihm von meinem Deal mit Ethan zu erzählen. Doch sein Misstrauen ihm gegenüber schmälerte mein Vertrauen. Nicht nur das, es machte mich wütend.

Jungs hatten sich bisher nie sonderlich für mich interessiert, höchstens als Lernpartnerin oder Kumpel. Den Menschen war ich immer zu burschikos mit meinen kurzen Haaren und Hang zur Natur. Immerhin hatte ich erst vor ein paar Wochen angefangen, mich zu schminken, was andere Mädchen in meinem Alter mindestens zwei Jahre vor mir bewerkstelligt hatten. Für Jungs war ich nie mehr als die Kumpelfreundin gewesen. Bis auf das eine Mal, als ich unglücklich in einen meiner damaligen Klassenkameraden verliebt war, war mir das egal. Doch jetzt kränkte mich, dass sogar mein Bruder dachte, ich wäre nicht gut genug.

»Ist es so schwer vorstellbar, dass sich jemand wahrhaftig für mich interessiert?«, zischte ich und schniefte.

Am erschrockenen Aufflackern seiner Aura sah ich, dass ich ins Schwarze getroffen hatte. »So hab ich das nicht gemeint!«, entgegnete er schnell.

Ich sprang wieder auf und ging auf ihn zu. Obwohl Draca zwei Köpfe größer war als ich, zuckte er vor mir zurück, da ich meine Hand nach seinem Arm ausstreckte, um ihn zu berühren und seine Gefühle zu lesen. Doch das bestätigte meine Vermutung nur.

»Aber du hast es gedacht«, warf ich ihm enttäuscht vor und marschierte davon.

Kapitel 7 folgt in Kürze

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