Drachenzauber – Epilog (Blog-Roman)

(Lesedauer etwa 4 Minuten)

»Bist du sicher, dass du das tun willst?«, fragte Dominik.
Ich atmete tief durch und und versuchte, seine sowie Hayleys Einwände zu überhören.
»Du weißt, was Ethan alles getan hat. Wer weiß, wozu sie zu zweit fähig sind, wenn es seiner Schwester erst wieder besser geht.« Hayley zog ein langes Band aus der Jackentasche.
›Er hätte ihrem Elend sofort ein Ende setzen sollen, anstatt sie jahrhundertelangen Schmerzen zu überlassen‹, stimmte Godric zu.
»Wenn ich dich so schnell aufgegeben hätte, wärst du heute nicht hier!«, schimpfte ich ihn an.
Godric schüttelte sich vom Kopf bis zur Schwanzspitze und schnaubte: »Also los!«
»Und wenn das Orakel gelogen hat?«, fragte Hayley, während sie ihm den Faden um den losen Schneidezahn band.
›Warum sollte es? Ich spende meine ersten zwei Milchzähne einem Ritual, hole mir dadurch die Hybridenerleuchtung und mit dem dritten Milchzahn erlange ich die Möglichkeit des Gestaltwandelns und werde zum Super-Vampir-Drachen-Schattenkind.‹ Godrics Aufregung spiegelte sich in seinen Drachenaugen wieder.
»Wenn das Orakel gelogen hat, verlangen wir den zweiten Drachenzahn zurück, den wir ihr versprochen haben«, fügte Draca entschlossen hinzu, während er mit verschränkten Armen auf Everlys Malerei herabsah.
»Und meine fünfhundert Euro«, murrte Dominik, woraufhin Adalar kicherte.
›Ich sagte doch, du bekommst sie wieder‹, nörgelte Godric.
Nervös ging ich zwischen den Gräbern auf und ab, während Everly mit dem Salz das Pentagramm auf dem Boden zu Ende streute. Obwohl es längst dunkel war, hatte ich die Befürchtung, jemand könnte zu später Stunde seine Angehörigen auf dem Friedhof besuchen wollen. Wir hatten bis zum Vollmond warten müssen, um das Ritual durchführen zu können, ich wollte um keinen Preis, dass uns jemand unterbrach.
Dominik und Adalar bauten sich neben Draca auf, um das Schauspiel zu beobachten.
»Wir beginnen«, sagte Everly und ließ mittels ihrer Kraft die Kerzen entzünden, welche sie an den Spitzen des Fünfzacks drapiert hatte. Sie hockte sich auf den gefrorenen Boden, während Godric in der Mitte des Pentagramms Platz nahm. Hayley stand neben Everly und hielt den Faden fest in den Händen. Sie begann einen Zauberspruch zu flüstern.
Mir stieg ein Hauch von Ingwer in die Nase. Er war hier. Ich bemerkte, dass sich auch Draca verstohlen umsah. Er witterte ihn.
»Es ist so weit, gebt mir den Zettel«, forderte Everly und streckte ihre Hand aus.
Dominik legte ihr das zusammengefaltete Blatt Papier, das wir von dem Orakel bekommen hatten, in ihre Handfläche. Sie hatte irgendwelche magischen Schriftzeichen darauf gekritzelt, mit denen nur Everly etwas anfangen konnte. Sie hatte das Blatt so lange studiert, als hätte sie die Symbole auswendig gelernt. Für den Fall, dass sie eines Tages in einer verlassenen Hütte im Wald leben wollte, um mit vorbeistreifenden Teenies 500 Euro zu verdienen.
Noch während Everly das Papier auf ihrer Hand in die Mitte des Pentagramms balancierte, entflammte es. Sie legte den brennenden Zettel vor Godrics Füßen nieder und verfiel in einem mystischen Singsang. Dann nickte sie Hayley zu und im gleichen Moment riss sie an dem Faden und somit Godrics Milchzahn heraus. Er brüllte – es war ein Minidrachen-Gebrüll, so niedlich wie ein kleines fauchendes Kitten. Der Zahn plumpste am Faden auf den brennenden Zettel, der in der Sekunde zu Staub zerfiel und das Feuer erlosch.
›Au!‹, maulte Godric.
»Das war’s«, sagte Everly, löste den Drachenzahn vom Faden und nahm ihn an sich.
Draca half ihr, vom Boden aufzustehen, und betrachtete den Zahn. Er schimmerte blau und leicht golden, so ähnlich wie Godrics Aura. Er sah mich fragend an, als ich auf ihn zutrat, um mir den Zahn zu holen.
›Noch zwei Vollmonde, dann habe ich meinen Körper wieder‹, frohlockte Godric.
»Und hoffentlich auch lose Milchzähne, sonst könnte es schmerzhaft werden.« Hayley kicherte mit gespielter Boshaftigkeit.
Godric flatterte los und streifte ihr Haar mit einem Flügelschlag, um sie zu ärgern.
Mit lautlosen Schritten näherte sich Ethan, ich spürte seine Präsenz hinter mir und erkannte sie am Gesichtsausdruck meines Bruders.
›Bitte halte dich zurück‹, mahnte ich ihn.
Draca nickte stumm. Meine Freunde reihten sich wie eine Wand neben ihm auf. Ich trat aus ihrem Bollwerk hervor und an Ethan heran. Er nickte den anderen knapp zu und betrachtete mich dann. Es tat mir gut, dass er meine Gedanken verfolgt hatte. Ich hatte ihn nicht gerufen, sondern gewusst, dass er auftauchen würde. Und hier stand er nun. Er kam in Frieden und allein und besaß die Courage ohne Angst oder Ärger seinen Feinden von Angsicht zu Angesicht gegenüberzutreten.
Das rechnete ich ihm hoch an. Ich hoffte nur, meine Freunde waren ebenso gelassen.
Ohne Worte öffnete ich die Arme und schlang sie um Ethans Hals. Er schloss mich in seine Arme, drückte mich an sich und sog meinen Geruch in sich auf. Obwohl es eiskalt hier draußen auf dem Friedhof war, fühlte seine Umarmung sich warm an. Ich wollte ihn nicht wieder loslassen, doch wir hielten uns schon länger fest, als es angemessen war. Draca räusperte sich ausgeprägt.
Seufzend gab ich ihn frei und spürte, dass auch ihm es nicht leicht fiel. Ich legte ihm den Drachenzahn in die Hand, doch er beachtete ihn gar nicht, sondern legte die freie Hand auf mein Gesicht und sah mir in die Augen.
Ich lächelte ihn an. Ich nahm ihm nicht übel, dass er nicht mehr mit mir sprach. Mir war mittlerweile klar, dass wir uns zur falschen Zeit und unter den falschen Umständen kennengelernt hatten. Was immer er getan hatte, für mich zählte nur, dass er mir meinen Bruder zurückgegeben hatte. Und nicht weniger wollte ich für ihn tun.
»Danke Gwendoline«, sagte er leise, nur für mich bestimmt.
»Wer hätte das gedacht, der erste Milchzahn eines Drachen ist ein Fluchbrecher«, lächelte ich froh.
»Manchmal lohnt es sich, das Richtige zu tun«, entgegnete er.
Wir sahen uns lange an. Ich sah etwas in seinen Augen, das ich seit unserer ersten Begegnung nie in ihnen gesehen hatte – Hoffnung.
»Ich wünsche dir, dass es funktioniert«, sagte ich.
Er blickte über meine Schulter hinweg zu den anderen und dann zu Godric. »Das wünsche ich euch auch«, antwortete er.
Dann beugte er sich zu mir herunter und küsste mich auf die Wange, direkt neben meinen Lippen. Es kostete mich alle Kraft, nicht den Kopf zu drehen und ihn zurück zu küssen.
»Ich denke, das genügt«, mischte Draca sich ein und trat gemeinsam mit Dominik synchron einen Schritt vor.
Ethan schmunzelte und entgegnete ein gelassenes Nicken, während seine Hand meine ergriff und sanft drückte. Dann zog er sich von mir zurück und einen Wimpernschlag später, war alles, was mir von ihm blieb, sein Duft und ein Kribbeln in meinem Magen.
Godric landete auf meiner Schulter und stieß ein dankendes Minidrachen-Gebrüll in die Dunkelheit.

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